Über die Autor:innen

Pfarrerin Katharina Rilling ist Seelsorgerin für Geistliche Begleitung am Studienzentrum Haus Birkach

Pfarrer Detlef Häusler ist Seelsorger für Geistige Begleitung am Studienzentrum Haus Birkach

Geistliche Begleitung

»Meiner Gottesbeziehung wollte ich mich bewusst widmen, darum habe ich mich auf Geistliche Begleitung eingelassen. Welche Form der Spiritualität passt zu mir? Wie kann ich diese in meinen Alltag integrieren? Ich fühlte kein Defizit, hatte aber eine Sehnsucht. Genauer konnte ich das Gefühl schwer beschreiben. Dem wollte ich nachgehen. Ohne Druck. Druck, durch bestimmte geistliche Übung ein guter Christ zu sein, spürte ich als Jugendlicher in manchen Gruppen und das brauchte ich nicht wieder.

Im Gespräch mit meiner geistlichen Begleiterin konnte ich Formen der Spiritualität aus meiner Jugend wieder entdecken und sie vom Druck, den ich damit verband, lösen. Ich erlebte eine Offenheit für alle Formen christlicher Spiritualität; es galt meine zu finden. Gemeinsam überlegten wir. Auch meine Begleiterin brachte Vorschläge ein, die ich aufnehmen oder getrost verwerfen konnte. Ohne Druck eben. Ich probierte noch mal aus, beim Singen, beim still Sitzen, beim Laufen. Über meine Erfahrungen konnte ich beim nächsten Treffen sprechen, gemeinsam reflektieren, was passt und was nicht. Durch den Weg habe ich eine stimmige Form für mich gefunden. Wenn mir danach ist, wenn ich die Sehnsucht spüre, kann ich darauf zurückgreifen. Nicht tagtäglich, aber regelmäßig. Ohne Druck.

Außerdem begann ich mir bewusster Gedanken zu machen, wo ich Gott in meinem Leben spüre. Die Begleitgespräche erlebte ich dabei als sehr anregend. Mein Leben hat sich geistlich vertieft – durch die gemeinsamen Gespräche, durch das dadurch angeregte Nachdenken und bewusster Spüren, ergänzt durch meine stimmige Form. Und das alles ganz ohne Druck – Gott sei Dank!«

»Alles beginnt mit der Sehnsucht …«

Das Fallbeispiel macht es deutlich: Dem Wunsch nach Geistlicher Begleitung muss keine Notsituation vorausgehen. Darin unterscheidet sie sich womöglich von anderen Formen der Seelsorge: Am Anfang einer Geistlichen Begleitung steht die Sehnsucht eines Menschen, die eigene Beziehung zu Gott zu vertiefen, versickerten Flüssen wieder auf die Spur zu kommen, abgelegte und scheinbar überwundene Glaubensmuster zu integrieren. Gleichzeitig ist diese Sehnsucht schon Antwort auf ein Angesprochen-Sein durch Gott. Geistliche Begleitung nimmt also den Wunsch auf, die Verbindung zu Christus als dem Weinstock (Joh 15) tiefer zu erfahren und den eigenen Alltag mehr aus der Nachfolge Christi heraus zu gestalten.

»Gefährtenschaft auf dem abenteuerlichen Weg, sich Gott anzuvertrauen.« 1

Die Erfahrung der christlichen Spiritualität aus vielen Jahrhunderten zeigt, wie förderlich, ja heilsam eine Gefährtenschaft im Glauben ist, denn: »Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders« 2. Der Begleiter oder die Begleiterin hilft, den Blick auf Gott hin auszurichten. Dabei gibt es keine Festlegungen vorab, wie der konkrete Weg einer begleiteten Person mit Gott aussieht, vielmehr geht es darum, das Gespür dafür zu fördern, dass und wie Gott im eigenen Leben wirkt. So kann das Leben immer mehr auf Gott hin durchsichtig werden und der Lebensweg wird offen für die eigene Aufgabe in Kirche und Welt.

Die klassische Form geistlicher Begleitung ist das vertrauliche Gespräch, in dem gemeinsam auf den aktuellen Weg der begleiteten Person geschaut wird. Das Wesentliche einer Begleitung geschieht jedoch zwischen den Gesprächen. Deshalb gehören das praktische Aufgreifen der Anregungen aus den Begleitgesprächen und die regelmäßigen Gebets- bzw. Meditationszeiten im Alltag grundlegend zum Prozess dazu.

Geistliche Begleitung ist ein Charisma – eine Gabe, und nicht etwas, das man (nur) lernen könnte. Zum Geistlichen Begleiter oder zur Geistlichen Begleiterin wird man weder durch eine Ausbildung noch durch eigenen Entschluss, sondern dadurch, dass man um diesen Dienst gebeten wird. Dennoch gibt es Kriterien, die für diesen Dienst förderlich sind: der eigene geistliche Übungsweg der Begleiter und Begleiterinnen sowie das Wissen um den Ablauf von inneren Wachstumsprozessen, seelsorgliche Erfahrung und ein sicheres Gefühl für Nähe und Distanz. Denn nicht die Begleitbeziehung soll im Mittelpunkt des Prozesses stehen, sondern die Beziehung zwischen der begleiteten Person und Gott.

1Christian Rutishauser SJ, Vom Geist ergriffen dem Zeitgeist antworten, Ostfildern 2011, S. 27.

2Dietrich Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, München 1939, S. 15.