Über die Autorinnen

Ingrid Haag ist ehemalige Geschäftsführerin des EBSW und Dorothea Holzäpfel ist im Vorstand des EBSW, dem Evang. Blinden- und Sehbehindertendienst Württemberg e.V.

Seelsorge mit Blinden und Sehbehinderten

Ein Workshop-Bericht

»Seelsorgerliche Begleitung von sehbehinderten und blinden Menschen in unseren Gemeinden« am Studientag »Mut zur Seelsorge«

Der Workshop wurde von hochgradig sehbehinderten und blinden Menschen, von Seelsorger:innen (aus Krankenhaus und Gemeinde), von Besuchsdienstmitarbeitenden und von sehenden Angehörigen besucht. Die Leitung hatten Dorothea Holzäpfel und Ingrid Haag vom Evang. Blinden- und Sehbehindertendienst Württemberg e.V (EBSW). Zu Beginn baten wir die Anwesenden, ihre konkreten Fragen zu unserem Themenkomplex zu formulieren. Folgende Fragen wurden beispielsweise genannt:

  • Wie kann ich angemessen reagieren, wenn ein Betroffener die Nachricht vom Sehverlust gerade erhalten hat? Wie gehe ich mit dem Schock um, wenn Betroffene mit dem Sehverlust konfrontiert werden?
  • Worauf sollte ich in der Begleitung von Betroffenen besonders achten? Worauf ist bei Makuladegeneration im Speziellen zu achten?
  • Begleitung von Angehörigen - was ist dabei wichtig?
  • Ich begleite in der Gemeinde seit einiger Zeit eine blinde, alleinstehende Frau. Sie ist oft sehr aggressiv. Und neuerdings zieht sie sich sehr zurück. Ich (Besuchsdienstmitarbeiterin) bin ziemlich unsicher im Umgang mit ihr. Welche Angebote gibt es bei Ihnen für Betroffene?

Zunächst wurde allgemein auf die Situation von hochgradig sehbehinderten Menschen eingegangen:

80 % unserer Sinneswahrnehmungen geschehen über die Augen. Daher wirkt sich eine Minderung der Sehfähigkeit gravierend auf fast alle Lebensbereiche aus. Betroffene Menschen kämpfen nicht nur mit dem rein physischen Verlust ihres Sehvermögens. Sie müssen auch mit immer größeren seelischen Belastungen fertig werden. Viele fühlen sich in ihrer bisherigen Existenz bedroht, sie haben das Gefühl, große Kompetenzbereiche zu verlieren und das eigene Leben nicht mehr selbstständig gestalten zu können.

Als Folge entstehen Ängste, Gefühle der Hilflosigkeit und Trauer, z.B.

  • Trauer über den Verlust von geliebten Tätigkeiten,
  • Angst vor Abhängigkeit,
  • Angst vor weiteren gesundheitlichen Einschränkungen,

Viele Betroffene ziehen sich zurück, um niemandem zur Last zu fallen. So besteht schnell die Gefahr der Vereinsamung. Dadurch wird eine Krise oft noch verstärkt.

Bei der Erläuterung der Situation wurden

  • die vielfältigen Einschränkungen und die damit verbundenen Belastungen bezogen auf den Verlust der persönlichen Autonomie und die veränderten Rollen in der Partnerschaft,
  • mögliche Schritte zur Krisenbewältigung
  • sowie die von den Workshop-Besucher:innen formulierten Fragen im regen Austausch diskutiert.

Dabei wurde thematisiert, dass die Annahme dieses Schicksals, so wie es ist, keine einmalige Tat ist. Oft bricht die Verlustsituation auch später wieder neu auf, besonders, wenn neue »Schübe« und/oder weitere Verlustsituationen (z.B. andere gravierende Gesundheitseinschränkungen oder Tod des Ehepartners) zu verkraften sind.

Im Zusammenhang mit der »angemessenen Unterstützung von Betroffenen« war den Betroffenen das Thema »Hilfe annehmen« bzw. »möglichst einen hohen Grad an Selbständigkeit bewahren« wichtig. Oftmals sind Sehende überfürsorglich im Umgang mit hochgradig sehbehinderten bzw. blinden Menschen. Vielen (vor allem jüngeren) Betroffenen ist es wichtig, ihre Selbständigkeit soweit als möglich zu behalten und ihre Kompetenz einzubringen, auch wenn der zu erledigende Sachverhalt vermeintlich umständlich erbracht wird und/oder deutlich mehr Zeit erfordert. Deshalb gilt »Darf ich Ihnen behilflich sein?« Diese Frage sollten Sehende stellen und die Antwort abwarten, anstatt sofort voller Hilfsbereitschaft »handgreiflich« zu werden. Sie sollten nicht enttäuscht sein, wenn die Unterstützung (heute) abgelehnt wird. Entweder kommt die betroffene Person allein zurecht oder sie wird sagen, welche Hilfeleistung sie braucht.

Am Schluss des Workshops ermutigten Frau Holzäpfel und Frau Haag die Betroffenen, Kontaktmöglichkeiten mit Gleichbetroffenen zu nutzen bzw. Betroffene auf die vielfältigen Angebote des Evang. Blinden- und Sehbehindertendienstes Württemberg e.V. (EBSW) hinzuweisen und einzuladen.

Angebote des Evang. Blinden- und Sehbehindertendienstes Württemberg e.V.:

Seelsorgliche Gespräche und Begleitung

Es tut gut, über alle Sorgen und Nöte ohne Angst sprechen zu können. Wir nehmen uns Zeit für Sie und hören Ihnen zu. Wir wollen Sie unterstützen, sich Ihrer eigenen Ressourcen bewusst zu werden und Sie ermutigen, diese wieder neu zu entwickeln und das Selbstvertrauen wiederzufinden. Unser Bestreben ist es, dass Sie mit der Behinderung besser zurechtkommen und neue Schritte wagen können. Die Gesprächspartner verpflichten sich zu absoluter Verschwiegenheit.

In der Geschäftsstelle, Tel. (07191) 6 00 00, im Vorstand und in vielen Regionen der Evangelischen Landeskirche stehen Ihnen sowohl Gesprächspartner:innen, die selbst betroffen sind, als auch Pfarrer:innen zu Gesprächen zur Verfügung. Auf Wunsch vermittelt Ihnen unsere Geschäftsstelle einen entsprechenden Gesprächskontakt.

Begegnungen und Treffen

Zu unserem Angebot gehören Treffen in verschiedenen Kirchenbezirken und zentral in Stuttgart sowie blinden- und sehbehindertengerechte Freizeiten.

Bei unseren Treffen begegnen Sie anderen Menschen, die schon länger von starker Sehbehinderung oder Blindheit betroffen sind. Diese können Ihnen aus ihrer Erfahrung praktische Alltagstipps weitergeben. Aus solchen Kontakten sind schon viele Freundschaften entstanden.

Die Freizeiten ermöglichen, einfach einmal aus dem Alltag herauszukommen und sich in schöner Umgebung zu erholen, sie wirken gewissermaßen als »Urlaub von der Behinderung«.

Bei Bedarf vermitteln wir ehrenamtliche Begleitungen, damit auch Personen, die keine Begleitperson haben, an unseren Treffen und Freizeiten teilnehmen können.

Christliche Literatur

Wir informieren über christliche Literatur, z.B. Losungen, Bibeln und sonstige Bibellesetexte in Großdruck und zum Hören und vermitteln diese. Damit Betroffene aus der Württembergischen Landeskirche aktuelle Informationen erhalten, bieten wir das Evangelische Gemeindeblatt zum Hören an, das in Auszügen aufgelesen wird.

Rundbrief

Unser Rundbrief, in dem alle Veranstaltungen des EBSW mit Treffpunkten etc. sowie Wissenswertes für Betroffene veröffentlicht werden, erscheint dreimal im Jahr in normaler Schrift, in Großdruck, auf Audio- und auf Daisy-CD (spezielles Format für blinde Menschen), in Blindenschrift und per Mail. Unser Freizeitflyer erscheint zum 1. Dezember für das Folgejahr in den oben genannten Formen. Beide Publikationen können kostenlos von Interessierten abonniert werden.

Kontakt und Informationen

Evang. Blinden- und Sehbehindertendienst Württemberg e.V.

Ingrid Haag und Annette Harter-Dieterle

Geschäftsstelle

Stuttgarter Straße 18
71522 Backnang
Telefon: (07191) 6 00 00

Mail: info@ebsw-online.de
Web: www.ebsw-online.de