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Thomas Dreher ist Vorsitzender des Konvents der Ev. Klinikseelsorgenden in Württemberg

Krankenhaus-
seelsorge

Eine Gottesdienstbesucherin wünscht sich das Abendmahl im Zimmer. Vor Beginn des Abendmahls fragt der Seelsorger, wie es ihr geht. Ein ganzes Arbeitsleben in einem pflegenden Beruf, die Familie, Enkelkinder und auch die Not die geliebte Arbeit aufgeben zu müssen kommen zur Sprache: »Was bin ich noch ohne meine Arbeit.« So auch das Aufwachsen in der bäuerlichen Familie mit vielen Geschwistern, die Strampelhose und die Zeit allein am Feld, wenn die Eltern arbeiteten. »Da konnten die Eltern nicht gleich da sein, wenn ein Kind schrie.« Die Patientin erzählte auch von der Kraft des Gebets in der langen, mehrwöchigen Krankheitszeit mit zwei Operationen und Komplikationen. Sie freut sich sehr über die Stärkung des Abendmahls. Der Seelsorger nimmt im Gespräch die Fragen auf: Wer bin ich ohne Arbeit vor Gott? Warum ist die Selbstsorge so schwierig? Die Patientin erkennt die Zusammenhänge mit ihrem Aufwachsen. Nach dem Abendmahl wird alles im Gebet vor Gott gebracht. Beim nächsten Besuch sagt die Patientin: Das Gespräch war super.

Es ist nur ein kleines Beispiel wie Krankenhaus-, Kur- und Reha-Seelsorge bei Menschen in der Begleitung präsent sind. Akutkrankenhäuser von der Uniklinik bis zum städtischen Klinikum, Reha- und Kurklinik, Kinderklinik und Psychiatrie zählen zu den Einrichtungen, in denen Seelsorger:innen beider großer Kirchen tätig sind. Insofern lässt sich kaum von einer Seelsorge sprechen. Die Arbeitsweisen und Fragestellungen sind in spiritueller, ethischer und psychologischer sowie geistlicher Sicht sehr verschieden. Was gefragt ist, hängt davon ab, ob Palliativstation, Kinder- und Jugendabteilung, Intensivstation oder Neonatologie, Onkologie oder Innere Medizin, Pflegeschule oder Fortbildungen für andere Berufsgruppen, Rehaklinik oder Kurgäste das Gegenüber sind. Deshalb haben die meisten Seelsorgenden nicht nur die notwendige Ausbildung in Klinischer Seelsorge (KSA), sondern oft auch Zusatzausbildungen in verschiedenen Therapieformen, Psychologie und Ethik. Supervision und kollegiale Beratung sowie regelmäßige Fortbildung sind Standard bei der Arbeit.

Die Krankenhausseelsorgen in ihren verschiedenen Formen sind Kirchorte in den Institutionen des Gesundheitssystems. Dabei nehmen sie im Netzwerk der verschiedenen Kirchorte eine besondere Stellung ein. Die Seelsorger:innen arbeiten in einem säkularen Kontext mit Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlichen Glaubens sowie mit Menschen, für die Religion im konfessionellen Sinne keine Bedeutung (mehr) hat. Ebenso sind sie in vielen Fällen Ansprechpartner:innen für die verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus. Krankenhausseelsorge ist von Krankenhausleitungen, Ärzten und Pflegenden ein geschätzter und hoch angesehener Kooperationspartner. Krankenhausseelsorger:innen verkörpern hier Gottes zweckfreie Zugewandtheit und bringen die kostbare Ressource Zeit mit. Sie verkörpern die Hoffnung des Glaubens im Alltag der Institution, an den Grenzen des Lebens und in Krisenzeiten sowie der Freude der Gesundung oder Heilung. Damit sind sie ein wichtiger Teil der Kirche vor Ort, der Kirchorte, die durch die Ortsgemeinde nicht so gut erreicht werden können. Krankenhausseelsorge entspricht dem Auftrag Jesu, die Kranken zu besuchen, und ebenso dem Wunsch von 50% der Kirchenmitglieder, eine kompetente Begleitung in wichtigen Lebenssituationen zu haben (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung 2017).

Die Krankenhaus-, Kur- und Reha-Seelsorge der Württembergischen Landeskirche arbeitet an über 130 Einrichtungen im Lande mit über 130 Personen auf 68,5 Vollzeitstellen und einigen beweglichen Dienstaufträgen sowie Teilstellen im Nebenamt. Bis 2030 sollen nach dem Willen der Landessynode vierzehn Vollzeitstellen gestrichen werden. Ein wichtiges Arbeitsfeld der Kirche wird dann an Substanz verlieren, obwohl der demographische Wandel und die Bedeutung der Begleitungen in kritischen Lebensphasen in allen Altersgruppen zu nimmt. Die Seelsorgenden sind in einem eigenen Konvent mit Beirat und Vorsitz sowie einem Jahrestreffen, Arbeitsgruppen und regionalen Treffen organisiert. Die landeskirchlichen Pfarrämter im Krankenhaus sind als überregionale Ansprechpartner:innen meist organisatorischer Teil der Kirchenbezirke, gelegentlich auch der Ortsgemeinde. Krankenhausseelsorge hat sich seit den siebziger Jahren als eine Geh-Struktur der Kirche mit eigenem seelsorglichem und theologischem Profil entwickelt und betrachtet sich trotz eigener Strukturen als Kernbestandteil der Kirche. Sie sucht die Zusammenarbeit mit der Ortsgemeinde. Durch Besuchsdienste und ehrenamtliche Seelsorge, durch Chöre und Posaunenchöre, durch Vertretungen, Vorträge und Gottesdienste gibt es zahlreiche Verbindungen zu den anderen Formen von Kirche.

Krankenhaus-, Kur- und Reha-Seelsorge geschieht in unserer Landeskirche schon in frühen Phasen ökumenisch und in Kontakt mit allen vier großen Kirchen in Baden-Württemberg. 2004 schon wurden gemeinsame Qualitätsstandards verabschiedet. Seit 2019 gibt es eine verbindliche Rahmenvereinbarung über die ökumenische Zusammenarbeit in der Krankenhausseelsorge, die eine enge Zusammenarbeit der konfessionellen Seelsorgenden zum Wohle der Patient:innen regelt. Ab 2019 werden auch neue gemeinsame Qualitätsstandards entwickelt.

Die Präambel sagt in ökumenischer Übereinstimmung, was Krankenhaus-, Kur- und Reha-Seelsorge ausmacht: »Auf der gemeinsamen Grundlage der Botschaft Jesu sehen sich die beiden Kirchen dem Auftrag Jesu verpflichtet, besonders den Menschen nahe zu sein, die von Krankheit, Leiden und Sterben betroffen sind (Mt 25,36). Im Krankenhaus verdichten sich diese Erfahrungen. Gerade hier benötigen die Patientinnen und Patienten, ihre Angehörigen wie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlässliche seelsorgerliche Begleitung.

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger beider Kirchen suchen mit den Menschen nach Quellen der Hoffnung und nach Hilfen zur Bewältigung ihrer Situation. Dabei sind sie mit den anderen Berufsgruppen im Krankenhaus vernetzt. Sie schätzen die kulturelle, religiöse und konfessionelle Prägung der Menschen. Sie respektieren die je eigene Lebensdeutung und unterstützen sie in ihrer Selbstbestimmung. Sie sind überzeugt, dass Leid nicht gleichbedeutend mit Unheil ist und dass Heil nicht abhängt von Heilung.

In ihrem Dienst vertrauen sie auf die Wirklichkeit Gottes, dessen Verborgenheit sie aushalten und dessen liebevolle, tröstliche Nähe sie bezeugen in ihren Gesprächen, in ihren Gottesdiensten, im gemeinsamen Schweigen mit den Betroffenen, im Gebet und in Segenshandlungen.«

Kontakt und Informationen

Konvent der Evangelischen Krankenhaus- und Kurseelsorge Württemberg

Pfarrer Thomas Dreher

Vorsitzender des Konvents

Uhlandstraße 7
97980 Bad Mergentheim
Telefon: (07931) 58-3701

E-Mail: Thomas.Dreher@elkw.de
Web: Ev. Landeskirche in Württemberg: Krankenhausseelsorge

Weitere Informationen

Im Internet

Ev. Krankenhausseelsorge Württemberg

Bei der Ev. Landeskirche in Württemberg

Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland

Literatur

Das Schwache stärken und das Starke behüten«. Eine Handreichung für die Seelsorge in der Palliativversorgung, ELKW 2. Auflage 2017

Menschen stärken. Seelsorge in der evangelischen Kirche, Gütersloh 2015

Seelsorge. Grundlagen-Handlungsfelder-Dimensionen, Göttingen 2016

Seelsorge im Krankenhaus und Gesundheitswesen. Auftrag, Vernetzung, Perspektiven, Gütersloh 2017

Relevanz in neuer Vielfalt. Perspektiven für eine Krankenhausseelsorge der Zukunft, Rheinbach 2018