Über die Autorin

© Kirchenbezirk Geislingen

Pfarrerin Margret Ehni ist Pfarrerin auf der Pfarrstelle Seelsorge in der Palliativversorgung

Seelsorge in der Palliativ­versorgung

Frau C., 64 Jahre alt, weiß, dass sie nur noch wenig Zeit zu leben hat. Sie erzählt einen Traum: »Ich war irgendwie ganz weit oben und unter mir so kleine Häuser und kleine Menschen. Ich wusste, da unten ist meine Familie und ich wollte zu ihnen. Und was jetzt?« Im Erzählen des Traumbildes tauchen dann weitere Einzelheiten auf, unter anderem das Gefühl: Da ist noch jemand bei mir. Sie erinnert sich an Bilder von Marc Chagall und so bekommt das Gefühl eine Gestalt: einen großen Engel in Rot, der mit ihr fliegt. Im Gespräch mit diesem Engel klärt sich für sie die Situation: Die kleine Welt mit ihren liebsten Menschen muss sie verlassen, doch mit dem Engel an ihrer Seite und mit dem Blick »von oben«. Wenige Tage später sagt sie mir zum Abschied: »Ich übe Fliegen mit meinem Engel.«

Die Patient:innen finden oder haben oft ihre eigenen Bilder: ein Engel, ein schon verstorbener Mensch, Bilder aus der Natur, ein Licht, eine Kirche, Worte eines Gebetes, ein Holzkreuz, eine Liedstrophe. Martin Luther führt aus, dass den Unheilsbildern positive Bilder entgegengesetzt werden müssen, die hell und voller Heil sind. Für ihn ist das Christus und _»Gnade und Himmel, Vergebung und Liebe statt Schuld und Hölle.«_Eine Spur christlicher Heils-Bilder in Texten und Liedern zieht sich durch die Jahrhunderte bei Liederdichtern wie z.B. Paul Gerhardt und Dietrich Bonhoeffer.

»Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag« ist für viele Menschen zum Trosttext geworden.

»Das Schwache stärken und das Starke behüten« (Ez.34,16)

Die Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen ist eine der ureigenen Aufgaben kirchlicher Seelsorge. Mit der Einführung von Palliative Care in die medizinische Versorgung haben sich neue Strukturen multiprofessioneller Begleitung von sterbenskranken Menschen etabliert, in denen kirchliche Seelsorge als eine Form spiritueller Begleitung beteiligt ist. Cicely Saunders, Gründerin der Hospizbewegung, beschreibt den Fokus der palliativen Versorgung so:

»Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«

Palliative Care bedeutet nach der Definition der WHO: Sorge für Lebensqualität bei lebensbedrohlicher Krankheit; Vorbeugung und Linderung und Behandlung in allen vier Dimensionen der menschlichen Existenz: »physisch» »psychisch» »sozial» und »spirituell». So erfolgt die Behandlung in einem multiprofessionellen Team: Ärzt:innen, Pflege, Sozialarbeit, Seelsorge, Psychologie, Physiotherapie, evtl. Kunst-, Ergo- und Musiktherapie, Ehrenamtliche. Unterschieden werden: Stationäre Palliativversorgung (in Krankenhäusern), Allgemeine Ambulante Palliativversorgung (AAPV) und Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV).

Christliche seelsorglich-spirituelle Begleitung ist die Sorge um spirituelle Themen, Nöte, Fragen (Lebensbilanz, Theodizeefrage, Sinnfrage, Generativität, Endlichkeit, Leben nach dem Tod) und Ressourcen und gewährleistet spirituelle Begleitung unabhängig von Religion oder Weltanschauung der Begleiteten.

Seelsorglich-spirituelle Begleitung geschieht in einer offenen und wertschätzenden Haltung den Patient:innen gegenüber. Sie würdigt die begleiteten Personen in ihrem So-und-jetzt-Sein wie in ihrem Geworden-Sein durch ein Beziehungsangebot und durch qualifizierte, empathische und wertschätzende Gespräche. Sie sucht mit den Betroffenen nach unterstützenden Ressourcen und Coping-Strategien und macht dazu auch Angebote aus eigener Erfahrung und Kompetenz (therapeutische Qualifikation) und Angebote aus der religiös-spirituellen Tradition von Ritualen – Gebete, Segen, Singen, Salben, Handauflegen, Sakramente, Gottesdienste, Abschiedsrituale etc. Besonders das Angebot eines Segens mit Handauflegung erleben viele Schwerkranke und Sterbende als unterstützend. Innere (positive) Bilder, z.B. in Träumen, Erinnerungen, Imaginationsübungen, bilden eine eigene Ressource, da die Seele in Bildern «denkt«.

Alle Angebote der Seelsorge können von Patient:innen und Angehörigen angenommen oder abgelehnt werden. Das Bedürfnis nach Integrität und Selbstbestimmung wird in der Begleitung geachtet. Seelsorgende können »Räume öffnen für die Frage nach Sinn und die verborgene Sehnsucht nach Gott« (K. Lammer).

Kontakt und Informationen

Klinik-Seelsorge im Kirchenbezirk Geislingen

Margret Ehni

Pfarrerin für die Seelsorge in Palliativstationen

Oberböhringer Straße 5
73312 Geislingen (Steige)

Tel. (07331) 986 88 03

Mail: Margret.Ehni@elkw.de
Web: Kirchenbezirk Geislingen: Klinik-Seelsorge

weitere Informationen

Literatur: Margret Ehni, »Das Schwache stärken und das Starke behüten«. Eine Handreichung für die Seelsorge in der Palliativversorgung, ELKW 2. Aufl. 2017

Die Handreichung als PDF-Datei: »Das Schwache stärken und das Starke behüten«